Austausch eines Maßwerks

Auf meiner Tippelei kam ich im Sommer 2011 im schönen und sonnigen Baden vorbei. Ich schaniegelte dort bei einem Einheimischen in der Nähe von Rastatt.Dort sollte ich mein bis dato anspruchsvollstes Stück hauen: Es musste an einer neogotischen Fassade eines Wohnhauses in Baden-Baden ein Maßwerk erneuert werden, da das alte Stück völlig verwittert war.Jedoch zunächst eine kleine Erläuterung für alle Nicht-Steinmetzen: Mit Maßwerk bezeichnet man in der Architektur die filigrane Arbeit von Steinmetzen in Form von flächigen Gestaltungen von Fenstern, Balustraden, und geöffneten Wänden. Das Maßwerk besteht aus geometrischen Mustern, die als Steinprofile umgesetzt werden, wobei der Stein komplett durchbrochen (skelettiert) wird. Das auszutauschende Maßwerk befand sich im 3. Stock eines Wohnhauses an einem Balkon in Baden-Baden. Zunächst musste am alten Bestand (ca. anno 1870-1890) ein Aufmaß erfolgen, bei dem die Maße, die Form und das Profil erfasst wurden. Die Stege des Maßwerks wurden auf Schablonit (durchsichtige, dicke Kunststofffolie) gepaust. Alle Maße, Formen und Profile mussten genau erfasst werden, da ein zerstörungsfreier Abbau des alten Maßwerks aufgrund der Beschädigungen nicht sicher war ( Außerdem hatten wir sonst keinerlei Anhaltspunkte bei der Fertigung des Neuteils in der Werkstatt). Dies gestaltete sich jedoch recht schwierig, da das Stück an der Oberfläche schon mehr aus Antragungsmörtel bestand als aus dem roten Elsässer Sandstein.  Im nächsten Schritt ging es nun an die Produktion des neuen Stücks. Das neue Bauteil wurde wie das Alte aus rotem Elsässer Sandstein gefertigt, der auf Maß gesägt bestellt wurde. Zu Beginn wurde die große Fläche mittels großer Flex abgesetzt und die Stege (bzw. das eigentliche Maßwerk) aufgerissen. Nun wurden erst eingesetzte Flächen in die späteren Durchbrüche gearbeitet, um ein späteres Anzeichnen der Hohlkehlenkante in den ziemlich kleinen Durchbrüchen zu vermeiden. Im Anschluss daran wurden nun die Hohlkehlen fertig ausgearbeitet, und dann nochmals schön gezahnt. Dann wurden die Durchbrüche gearbeitet. Bei diesem Stück blieb die Rückseite unbearbeitet bzw. geschliffen. Bei allen Arbeitsschritten wurde Pressluftwerkzeug (kleiner und großer Presslufthammer mit Eisen), große sowie kleine Flexen und Handwerkzeug (ganz klassisch Knüpfl und Handeisen) benutzt. Zum Schluss haute ich mein Steinmetzzeichen auf die Vorderseite (was dem Architekten auch gut gefiel). Somit war das Stück nach 92 Stunden Arbeit und viel, viel Staub endlich fertig und konnte versetzt werden. 


Der fremde Freiheitsbruder David Switalla

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